... was man halt so findet...
natürlich Jörg Fauser
Bockbierabend
Wenn ich so beim Bockbier sitze
mit meiner qualmenden Dutch Master
zwischen den Zähnen
und über den Hof starre
auf die Hauswände gegenüber
und den Katzen zuhöre
denke ich manchmal an die Mädchen in Rabat
an die singenden Blinden in der Medina
an den einbeinigen Bettler am Blumenmarkt
an das warme Bier am Strand
an den Abend in Casa
als sie uns Tickets andrehten für den Zug
der längst über alle Berge war
an die Hitze und die Zuhälter im Hotel Le Petit
Chaperon Rouge
an die Nacht in der Bar Bowling
mit Kif und Pernod und Huren auf unserem Schoß
wie wir besoffen unsre Bäuche über die Tanzfläche
schoben
und an den Krüppel
der in der Dämmerung die Sägespäne zusammenfegte
ah
Messieurs
beim Bockbier schmeckt alles nach Blues
in diesen letzten schwülen Sommernächten
wenn die Städte ausgelaugt sind
und die Gewieften unter den Pennern
bei der Heilsarmee
den Wintermantel buchen
irgendwo Radiogedudel
Religion
oder Schlüpfer im Bidet
die Zigarre geht aus
Ginsberg würde jetzt loslegen
ich warte daraufdaß es klingelt
und jemand mit mehr Bier
und anderen Gedanken kommt
Trotzki, Goethe und das Glück
Kaum war ich von der Spritze runter,
tappte ich in die nächste Falle:
die Revolution.
Die Revolution hieß Louise,
hatte unglaublich schmale Hüften,
blitzende Augen, flatterndes schwarzes
Haar, kam aus Paris
und war Trotzkistin.
Wir wohnten zusammen in einem
der besetzten Häuser, hielten uns
glänzend in Schuß, hielten es sogar
für Liebe, und ich palaverte,
wenn Palaver gefragt war,
schwenkte Fahnen, wenn Fahnen
gefragt waren, und frühstückte
entgegen allen Lehren
des Großen Vorsitzenden
mit einer Flasche Wermut
und einem netten dekadenten Gefühl
im Bett.
Das ist Glück, dachte ich.
Das ist Glück, sagte ich zu Louise.
Warum lassen wir die Revolution nicht sausen,
das sinnlose Palaver und die Fahnen
und die endlosen Auseinandersetzungen
um die Maschinenfabrik in Shanghai,
suchen uns irgendeinen stillen Winkel
wo ich in Ruhe mein Bier trinken und
zwischendurch mal'n Gedicht schreiben kann,
et du reste l'amour?
Und Trotzki? schrie Louise,
und die Genossen im Knast?
Dein bourgeoises Glück, pah! Bier
und Gedichte, während die Revolution
organisiert wird.
Von da ab ging alles schief. Als ich
im Suff mal mit einer anderen ankam,
ging Louise mit einem Messer
auf mich los. Dann mischte sie
bei einer Frauenbewegung mit und ich
mußte nehmen, was kam:
meistens nur Bier und manchmal irgendeine
neurotische Studentin, und später selbst das
nicht mehr, und dann
schmissen sie mich raus,
und ich zog woanders hin.
Das alles ist etliche Jahre her, aber neulich
traf ich ein Mädchen, das noch in den Kreisen
verkehrt, und fragte sie nach Louise.
Louise, sagte das Mädchen -
die ist wieder in Paris.
Sitzt sie im Zentralkomitee? fragte ich.
I wo, sagte das Mädchen, die hat irgendson
Goehteforscher geheiratet.
An dem Abend trank ich alles durcheinander,
trank wie lebensmüde, aber als ich gestern
an dem Haus vorbeikam - es sieht
inzwischen ziemlich verkommen aus,
absolut deja vu -
dachte ich, naja,
vielleicht hast du doch Glück gehabt.
Das Ende der Kunst
Du darfst nicht, sagte die eule zum auerhahn,
du darfst nicht die sonne besingen
Die sonne ist nicht wichtig
Der auerhahn nahm
die sonne aus seinem gedicht
Du bist ein künstler,
sagte die eule zum auerhahn
Und es war schön finster
THOMAS BRASCH
was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber
die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber
die ich kenne, will ich nicht mehr sehen, aber
wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber
wo ich sterbe, da will ich nicht hin:
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.
und, natürlich, PETER HACKS
UFERMOND
Ein holdes Weib, ein bei mir habendes,
Erhöht die Göttlichkeit des Abendes.
Bertolt Brecht
Oh, du ahnst nicht, was ich leide
Seh ich eine schöne Frau
Die den Steiß in gelber Seide
Schwenkt im Abendhimmelblau
CHARLES BUKOWSKI
Bildet Euch bloß nichts drauf ein
Ich schreibe Gedichte
mache mir Sorgen, lächle,
lache, schlafe,
mach eine Weile weiter
wie wir alle oder
die meisten von uns;
manchmal möchte ich die ganze
Menschheit umarmen und sagen:
Zum Teufel mit allem, was sie
uns aufgeladen haben, wir sind
tapfer und gut, auch wenn
wir egoistisch sind und
uns und einander killen;
wir sind die Menschen
die von Geburt dazu bestimmt sind
zu killen und zu sterben,
zu weinen in dunklen Zimmern
zu lieben in dunklen Zimmern
und zu warten und warten und
warten.
Wir sind das Volk.
Mehr aber auch
nicht.
Bernd Jentzsch
Nocturne II
Der Mond scheint immer greller.
Das kommt: es naht der Tag.
Die Nacht kriecht in den Keller,
Weil sie das Licht nicht mag.
Die Liebespaare liegen
Im Bett, im Wald, im Park.
Sie lieben immer schneller.
Das kommt: es naht der Tag.
Uli Becker
Das Dicke Ende
Zur Straße die vorgedruckte Friedenstaube,
nach hinten raus, wo's auf den Park geht,
kleben Raubvogelsilhouetten am Wintergarten.
Wenn da eine von den Schwalben reinkracht,
hat niemand was von, und Falken sind eben
die einzige Sprache, die sie verstehen.
Die wallenden Vorhänge aus Spruchbandnessel
als Leiche- im- Schrank, die Förderabos und
passiven Mitgliedschaften als Dauerauftrag,
die rechtsdrehenden Wendejoghurts im Korb
als was bitte? Unsinn, einfach gesünder,
kein Bekenntnis zu dem, was hier so abgeht.
Die Revers zerstochen von Buttons, links,
links, wo das Herz schlägt. Aber das Geld
sitzt diametral, irgendwo ziemlich am Arsch.
Adolf Glassbrenner
ZWEI WÜNSCHE
Ach, zwei Wünsche wünscht' ich immer,
Leider immer noch vergebens
Und doch sind's die innigst- frommsten,
Schönsten meines ganzen Lebens,
Daß ich alle, alle Menschen
Könnt mit gleicher Lieb' umfassen
Und daß ein'ge ich von ihnen
Morgen dürfte hängen lassen.
Uli Becker
„IT’S FINGERS LICKIN’ GOOD“
Gespannt, was heute Schönes Krebs erzeugt,
setz ich mich an den Frühstückstisch und
schlag die Zeitung auf. Essen? Trinken? Atmen?
Grundsätzlich besser nicht mehr, das ist nur
Noch für Verdränger was, die vor der Wahrheit
Den Kopf in den Sand stecken – und sogar dort
( Sie wissen’s nicht, das kommt davon... )
ist es vorbei mit der Ruhe, nix Öko- Nische,
die Bakterienproben vom Kinderspielplatz
sprechen eine deutliche Sprache: Wir sind
umzingelt vom Sensenmann und seinen Leuten!
Sieht aus wie Saure- Gurken- Zeit für Forscher;
bis zur letzten Seite muß ich blättern, um ihn
zu finden, den Killer des Tages: Jeder Orgasmus,
steht da, verkürze das Leben um 53 Minuten,
sprich eine Überstunde abzüglich Pinkelpause.
Wie haben die das rausgekriegt? Mit Ratten
Und dann umgerechnet? Oder ob’s ein Besessner
War im Selbstversuch, pro einmal eine Kerbe
Am Kopfende der Pritsche, jeder fünfte quer?
Der direkte Effekt sei, les ich, man verbrauche
77 Kalorien (Handvoll Erdnüsse), das Doppelte
wenn vorgetäuscht – wie jede Kunstanstrengung ja
einen höheren Preis verlangt vom Menschen.
Fanatiker der schlanken Linie horchen auf –
Wer schön sein will, muß anderswo mehr leiden,
muß strampeln wegen der paar Nüsse: Fahrrad
ohne Räder, pflegeleichter Trimm- Dich- Anzug.
Und auch Selbstmordaspiranten, die’s nicht
panisch eilig haben, noch genießen können,
scheint hier ein bemerkenswertes Instrument
an die Hand gegeben, oder wohin auch immer:
Dem gängigen Konzept vom Leben als Krankheit
zum Tode ( verursacht nicht durch Seelenpein
sondern das, was hinter der Currywurst steckt
in Form der kleinen, hochgestellten 1 bis 3 ),
dem Siechtum sich entziehen mit Trick 17,
mit der Lust, dem süßen Harakiri auf Raten?
Hört sich prima an! Guter Hahn wird nicht fett,
wird auch nicht alt, zwei Fliegen auf einmal,
Klappe! Action! „ Ein unheimlich starker Abgang“:
Schnell leben, jung sterben und `ne schicke
Schlanke Leiche sein... Selber schuld,
wer’s jetzt noch nach Altvätersitte macht
mit Zyankali, knacks und weg, so’n Krampf!
Heinz Czechowski
Es ist wie in der Liebe:
Man kann mit der einen,
Mit der anderen nicht.
Hat man einmal gekonnt,
kann man immer wieder -
Das ist der Fehlschluß,
Denn nicht die Gewohnheit entscheidet.
Manchmal ist alles vergeblich,
Aber mitunter erhöht uns,
Was wir vergeblich gesucht,
Denn keine Ehe
Bindet uns auf die Dauer
Und keine Kunst.
Florian Günther
"Früh übt sich"
Ich stehe an einer
Kreuzung und sehe ein
paar Jungs, die
mit einer toten Taube Fußball
spielen.
Bei jedem Kick
wirbeln Federn auf,
an ihren Schuhen
klebt Blut.
Die werden es mal
weit bringen.
"Vorsicht"
Werde ich verhaftet?
Ist es ein Freund,
jemand, der um Auskunft
bitten will
oder gar die Rettung?
Die Hand auf
der Schulter kann
vieles
bedeuten.
Also komm
mir nicht von hinten,
Mann.
Sonst
garantiere ich
für nichts.
Charles Bukowski
aus "Eins für den Schuhputzer"
...
Es gibt etwas, das dir den Glauben erhält,
dass es außer dem Tod noch etwas anderes gibt:
Jemand kommt dir in einem Auto entgegen
auf einer Straße, die zu schmal ist für zwei
und er oder sie fährt rechts ran
und lässt dich vorbei ... oder der
alte Boxer Beau Jack, der jetzt Schuhe putzt
nachdem er seine ganzen Einnahmen
mit Parties durchgebracht hat
mit Frauen
mit Parasiten.
Er summt vor sich hin, haucht auf das Leder,
poliert es mit dem Lappen,
schaut hoch und sagt:
"Was soll's. Für ne Weile
hatte ich alles. Besser so
als anders."
Das Leben ist mal leicht, mal schwer
Das Leben ist ein Hin und Her
Das Leben trägt sein buntes Kleid
Das Leben ist die schönste Zeit.
Geh ich zeitig in die Leere
komm ich aus der Leere voll
Wenn ich mit dem Nichts verkehre
weiß ich wieder, was ich soll (Brecht)
»Die Festung EUROPE wartet auf den Süden Wie einst Rom hat gewartet auf den Norden Shoppen und Ficken goldener Zeitvertreib Dauernd der Lärm die Stille rasend Wer Niemals zuvor gelacht hat lacht jetzt sehr Und wer stets lachte lacht jetzt um so mehr.« (B.K. Tragelehn)
Wilhelm Raabe
Ein Stuttgarter Verleger lud Raabe zur Mitarbeit an seiner Zeitschrift ein. Um die Ansprüche des Dichters gering zu halten, schloss er seinen Brief mit einem Wortspiel: „Zahle Honorar rar.“
Raabe antwortete umgehend: „Liefere Beiträge träge!“
Charles Bukowski
Ladies,
bitte schenkt eure Körper
und eure Leben
den jungen Männern
die sie verdienen.
Außerdem:
ich bin
doch nicht
lebensmüde
und lasse mich
auf eure
hirnverbrannte,
erbärmliche und
unerträgliche Hölle ein,
die ihr mir
bereiten würdet,
aber ich wünsch
euch Glück,
im Leben
und im Bett,
aber nicht
in meinem.
Danke. ;-D
Ich fliege, fliege rückwärts weiter,
ich will nach hinten fallen, ja... ach!
Mal ist es dunkel und mal heiter:
wenn heute Matt, dann morgen Schach.